Auf unserer Sonntagsfahrt haben wir drei Orte besucht, darunter auch Drögen. Drögen liegt ca. 5 km südlich von Fürstenberg und ist trotzdem nur mit dem Auto zu erreichen. Eigentlich kann man den Ort auch nicht als solchen bezeichnen, es ist eine Ansammlung von Häusern an der Bundesstraße 96. Oder, um es mit den Worten einer Interviewpartnerin zu sagen: Fünf Häuser, sieben Spitzbuben.
Das war jedoch nicht immer so. Dort, wo jetzt nur noch zwei Tafeln an den ehemaligen Eingang zum Kasernengelände erinnern, befand sich seit dem Krieg und bis zum Abzug der Sowjets eine Panzerreparaturwerkstatt der in Fürstenberg stationierten 2. Gardepanzerarmee. Hinzu kamen Wohngebäude, Kasernen, Cafés – Infrastruktur eben, die sich um solche Einrichtungen ansiedelt bzw. angesiedelt wird, sie unterlagen ja nicht der Marktwirtschaft sondern wurden nach bestimmten Bedürfnissen geplant. Dass nicht alle Bedürfnisse von allen befriedigt wurden, kam recht klar in einem Interview herüber:
„Es hieß immer, in Fürstenberg würden so viele Wohnungen gebaut. Da habe ich gefragt: Ja, wo sind denn die Wohnungen? Das waren doch alles Wohnungen für die Russen! Abgerechnet wurde das aber auf der deutschen Seite. Wenn die mal abziehen, dann könnten wir die ja haben. Da waren sie aber schon hinübergewirtschaftet, keiner wollte mehr darin wohnen. Die sind dann ja auch teilweise abgerissen worden.“
In Drögen ist, bis auf die erwähnten Eingangstafeln, alles abgerissen worden, die Natur holt sich das Gelände zurück. Auch die ehemaligen Nazigebäude sind weg. Dabei muss hier früher das Leben getobt haben, gab es doch neben den Sowjets auch noch einen Bahnhof. Diesen mussten die Sowjets mir ihren Panzern überqueren, wollten sie zum Truppenübungsplatz:
„Da war so ein Kommandant Lunikoff, oder Major Lunikoff haben wir immer gesagt. Denn das war ein ziemlich Dicker mit einem runden Kopf und wenn der wütend wurde oder es heiß war, dann wurde er immer ganz rot.
Meine Mutter hatte damals Dienst hier am Bahnhof in Drögen, und die hat dann die Schranken runter gemacht, wenn ein Zug im Bahnhof stand. Was macht Major Lunikoff? Der kurbelt die Schranken wieder hoch, weil er mit seinen Panzern rüber will! Meine Mutter wieder raus, Schranke wieder runter. So ging das die ganze Zeit, immer hin und her. Da hat Major Lunikoff gesagt: Ich nix lieben Germanski! Und meine Mutter: Ich nix lieben Russki! Die haben sich da ganz schön beharkt. Aber nachher hat er uns mal reingelassen [auf das Kasernengelände], als wir da Silvester feiern wollten.“
Die beiden Tafeln sind allerdings interessant und geben einen kleinen Einblick in die damalige Propaganda. Auf der einen ist z.B. der Weg der Armee zu sehen, von ihrer Zusammenstellung in den Gorochoveckie lagerej bei der Stadt Gorochovetsk im Gebiet Nischnij Novgorod über Lublin und andere Städte bis nach Berlin. Früher muss diese Grafik auch beleuchtet gewesen sein.
Auf der anderen Seite sieht man eine eher ökonomisch gehaltene Propaganda, auf der Tafel wurden die produzierten Einheiten von Elektroenergie, Öl, Gas, Kohle, Walzen, Düngemittel, Getreide, Fleisch, Milch, Zuckerrüben und Baumwolle (von links nach rechts) aufgeführt. Eingeleitet wurden die Höchstleistungen durch einen Spruch von Lenin:
Ohne das größtmögliche Heldentum des Volkes und die Verwirklichung von kühnen und entschiedenen ökonomischen Umgestaltungen kann das Land nicht verteidigungsfähig gemacht werden.
Wie viele diese Losung wohl gelesen haben?
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